BANKNOTEN SIND TYPISIERTE
WECHSEL
Ein Brief von Ulrich von Beckerath, 23/12/1927
Berlin, den 23. Dezember 1927.
Lieber Herr Stanawki!
Der Satz, auf
welchem die ganze Theorie der Banknoten beruht, lautet:
Banknoten sind typisierte Wechsel!
Nur wenn man
diesen Satz ganz und gar in sich aufgenommen hat und ihn vorbehaltlos anerkennt
kann man zu richtigen Ansichten ueber Inflation, Deflation und die richtige
Mitte zwischen beiden gelangen.
Zunaechst
folgt aus dem Satz, dass eine richtige Banknote keineswegs durch Sparkapital
gedeckt sein muss, ja dass sie nicht einmal durch Sparkapital gedeckt sein darf!
Die eigentliche Grundlage sind die im Laufe des Jahres
in der Volkswirtschaft erzeugten Produkte und zwar gerade nicht die zum
Sparen, sondern die zum Konsum bestimmten Produkte. Nehmen wir ein
Beispiel :
Der Landwirt
verkauft seine Ernte an einen Mueller und laesst sich von ihm Wechsel ueber M
20,000.- mit einer Laufzeit von 3 Monaten geben. Die Notenbank tut weiter
nichts, als die Wechsel gegen ihre eigenen, aber typisierten Wechsel
umtauschen. Der Umtausch geschieht unter der Bedingung, dass der Landwirt nach
90 Tagen entweder die Noten selbst
zurueckbringt, oder aber bares Geld. Der Landwirt kauft
sich nun fuer die M 20.000.-, welche er in Form von typisierten Wechseln
erhalten hat, in der Stadt allerlei: Duengemittel und Kleidung, Maschinen und
Geraete. Die Haendler, bei denen er gekauft hat, geben die Noten an die
Fabriken weiter, die Fabriken geben sie an die Arbeitnehmer, die Arbeitnehmer
bringen die Noten in die Baeckerlaeden, die Baecker geben die Noten dem
Mueller.
Man schaetzt
dass so ein Kreislauf hoechstens 90 Tage dauert.
Nach Ablauf
der 90 Tage geschieht nun folgendes.
Die Bank praesentiert dem Mueller den Wechsel ueber M
20.000.- und erhaelt dafuer vom Mueller die Noten. Damit ist auch das Konto des
Landwirts bei der Bank ausgeglichen.
Dieser
Zirkulationsprozess ist ganz huebsch dargestellt in einer Nummer der Rigaischen
Rundschau (ich glaube im September) wo der Notenumlauf der lettlaendischen
Notenbank
besprochen wird.
Eine
Sicherung gegen eine Inflation geschieht bei der Notenemission im Wesentlichen
durch zwei Vorkehrungen:
1.)
Die Noten duerfen keinen Zwangskurs haben. Wenn der freie Verkehr eine Note im
Nominalwert von M 100 nur noch mit M 99.-- bewertet, dann darf die Bank keine
Noten mehr ausgeben.
2.)
Durch eine moeglichst kurze Laufzeit der Wechsel, 90 Tage sind das
traditionelle Maximum. Vor dem Kriege kaufte die Reichsbank mit Vorliebe
Wechsel an, die nur noch 60 Tage oder weniger liefen, weil diese Frist sich als
die durchschnittliche Dauer ergeben hatte, waehrend welcher das Produkt vom
ersten Produzenten bis zum letzten Konsumenten unterwegs ist.
Wo ist in diesem Zirkulationsprozess Raum fuer
Sparkapital?
U.A.w.g.!!!
Frdl. Gruss
Ihr
gez.: U. v. Beckerath.
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First published in: Ulrich von Beckerath: Zur Freiheit,
zum Frieden und zur Gerechtigkeit; Gesammelte Briefe, Papiere, Notizen, Besprechungen.
PEACE PLANS 428-467 (Mikrofiche), Berrima, Australia, 1983. Page 196.